Prinzip 4: Subjektive Wahrheiten akzeptieren

Wahrheit ist, dass es DIE EINE Wahrheit nicht gibt. Schon gar nicht in solch komplexen Strukturen wie menschlichen Beziehungen. Wenn wir dies anerkennen, wird es plötzlich sinnlos, sich darum zu streiten, was wahr ist, ob Du oder ich recht haben. Die frei gewordenen Kapazitäten können wir dann dazu nutzen, neugieriges Interesse zu zeigen an der persönlichen Wahrheit des /der PartnerIn.  

„Natürlich gibt es Wahrheiten“ werden Sie vielleicht bei sich denken. „Du hast gestern gesagt, Du magst meine Mutter nicht“. „Nein, das habe ich nicht gesagt.“ Es stimmt, auf gewisser Ebene gibt es eine Wahrheit, Fakten also. Denn entweder hat Person A gesagt, dass sie die Mutter nicht mag, oder sie hat es eben nicht gesagt. Eines davon ist eine Tatsache und dennoch ist es unsinnig, sich hier um die Wahrheit zu streiten.

 Unnötige Wahrheiten

Zum einen werden wir nicht mehr objektiv herausfinden können, welche der beiden Versionen wahr ist, zum anderen bringt es uns auch keinen Schritt weiter zu wissen, was gestern gesagt wurde – ich nenne so etwas „unnötige Wahrheiten“. Warum aber verlieren sich dann so viele Paare in sinnlosen Scharmützeln z.B. über das, was (nicht) gesagt wurde, statt tatsächlich darüber ins Gespräch zu kommen, was das Verhältnis zur Schwiegermutter belastet.

Dafür gibt es einige Gründe:

  • Es muss erst einmal erkannt werden, dass es sich hier um ein unnützes Scheingefecht handelt.
  • Der Streit (z.B. über die berühmte offene Zahnpasta Tube) ist oft Ventil für Unzufriedenheit auf anderen, essentielleren Ebenen.
  • Es ist so schön Recht zu haben.

Willst Du recht haben oder glücklich sein?

Aber warum sind wir so erpicht darauf, Recht zu haben? Wenn wir Recht haben setzen wir den anderen automatisch ins Unrecht, und das gibt uns ein Gefühl der Überlegenheit. Das ist vielleicht kein besonders edler Charakterzug, aber offenbar sehr „menschlich“. Wir müssen uns dafür also nicht schämen oder uns selbst und andere verurteilen, sondern es reicht, wenn wir diesen Zusammenhang erkennen und annehmen. Nur so können wir allmählich umlernen, denn Recht haben bringt uns in der Paarbeziehung nicht weiter.

Ein Hindernis anzuerkennen, dass es eben nicht nur die eine Wahrheit gibt, ist aus meiner Erfahrung auch die Angst vieler Menschen, in eine Art Beliebigkeit abzudriften und die Orientierung zu verlieren, wenn alles wahr sein kann.

 Ist alles wahr? Oder nichts?

Weder ist alles wahr noch nichts. Für unsere Orientierung gibt es unsere Werte, sie sind ein besserer Kompass als das Recht Haben. Und es gibt innere Wahrheiten. Wenn ich mich traurig fühle oder enttäuscht ist das wahr. Das heisst aber nicht, dass es wahr ist, dass mein(e) PartnerIn sich falsch verhalten hat.

Ich-Botschaften (z.B. „Ich bin traurig“) sind praktisch immer wahr, wer sie anzweifelt unterstellt dem anderen zu lügen. Du Botschaften („Du hast Dich falsch verhalten“) dagegen basieren auf Vermutungen und Interpretationen, sind also nicht objektivbierbar, leicht angreifbar und führen somit oft zu unnötigen Scharmützeln um eine Pseudo-Wahrheit.

Versuchen Sie es doch mal mit folgendem Gedanken, am besten dem/der PartnerIn gegenüber laut ausgesprochen, wenn Sie mal wieder mit einer für Sie unverständlichen „Wahrheit“ konfrontiert werden:

„Vielleicht hast Du ja recht.“

 

* =Einen Überblick über diese Prinzipien finden Sie hier
den 1. Blog der Serie -“Möglichkeitsraum erweitern“ hier.
den 2. Blog der Serie -“Umparken  im Kopf“ hier.
den 3. Blog der Serie -“Zukunftsorientierung“ hier.

Der nächste Blogs beschäftigen sich mit dem 5. Prinzipien meiner Arbeit:
Dynamik statt Schuld

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Erwischt

Hin und wieder werde ich um einen ganz kurzfristigen Termin gebeten, weil die Paarbeziehung quasi von einem zum nächsten Moment „explodiert“ ist. Scheinbar aus heiterem Himmel ist der GAU eingetreten – eine Seitensprung oder sogar eine längere, heimliche Affäre sind aufgeflogen. Was nun – was tun?
 
Die Zeit nach der „Enttarnung“ kann in unterschiedliche Phasen eingeteilt werden, die sich teilweise überlagern. Die erste könnte man „Pulverdampf“ nennen. Dieser Pulverdampf behindert den klaren Blick auf die Dinge und es ist gut erst einmal Inne zu halten und zu warten bis sich die Sicht wieder etwas klärt.
 

Durch den Pulverdampf

Weil dies natürlich nicht so einfach ist, empfiehlt es sich bereits zu diesem Zeitpunkt, professionelle Hilfe zu suchen. Diese besteht dann zunächst darin, die Paare durch den „Pulverdampf“ hindurchzuführen. Und das hat u.a. auch etwas mit Dampf ablassen zu tun, denn gerade die passiv betroffene Person* empfindet spontan meist Wut, vor allem, wenn sie massiv belogen wurde.
 
Es ist wichtig, dass sich die aktive Person* in dieser Phase dieser Wut stellt und nicht versucht, diese abzuwehren oder zu relativieren. Diese schwierige Aufgabe gelingt meist besser in Gegenwart eines allparteilichen Dritten.
 
Es ist sehr ratsam in der „blinden Pulverdampf-Phase“ keine Ent-Schiedungen zu treffen, auch wenn die Wut und die damit verbundene Rachelust die passiv betroffenen Person oft in diese Richtung treibt. Widerstehen Sie dieser Verführung des „Den/ Die mach ich fertig“ – es gibt keinen Grund, der zu schnellem Handeln zwingt.
 

Wut und Scham

Wo die passiv betroffene Person Wut empfindet, empfindet die aktive oft Scham. Dieses leisere, nach innen gekehrte Gefühl verschwindet zunächst oft unter dem lauten Zorn der anderen Person. Erst wenn dieser sich allmählich abschwächt kann die Scham der aktiven Person spürbar werden.
 
Es ist allerdings nicht zwingend, das die aktive Person Scham empfindet. Auf keinen Fall sollte Scham geheuchelt werden, wenn sie nicht echt ist – das wäre ein weiteres mal unaufrichtig. Ist sie aber echt, sollte das vom/von der Partner(in) auch anerkannt werden.
 
Nach dieser ersten Phase folgt in der Paarberatung eine umfassende Analysephase, in der Fragen geklärt werden wie:
 

  • – Welche Substanz hat die Beziehung noch, soll / kann sie weitergeführt werden?
    – Welcher Ausgleich ist ggf. nötig – kann verziehen werden?
    – Kann verlorenes Vertrauen wieder hergestellt werden und wie?
    – Was haben die Partner jeweils dazu beigetragen, dass das Passierte passiert ist?
    – Was ist aus alle dem für das Paarzu lernen?
  •  
    Zu den weiteren Phasen werde ich in meinen nächsten Beiträgen schreiben.
     
    * Ich vermeide hier bewusst die Begriff „Täter“ und „Opfer“, weil sie ungünstig mit einseitiger Schuld einerseits und Handlungsunfähigkeit andererseits besetzt sind.
     


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    Lebe gefährlich

    Zuerst möchte ich allen Lesern ein gutes neues Jahr 2017 wünschen – was auch immer „gut“ für sie persönlich bedeuten mag.
    Milos Zeman, der tschechische Präsident, wünschte den Menschen seines Landes zum Jahreswechsel „ein gefährliches Leben, ein Leben voller Risiken und Kämpfe“. Nur traditionsgemäß „Gesundheit, Glück und ein langes Leben zu wünschen“ so sagte er „wäre zu unoriginell und eine reine Phrase“

    Ich habe mich gefragt, was Zeman wohl gemeint habe könnte, mit dem „gefährlichen Leben“. Wahrscheinlich ist es nicht die Empfehlung unangeschnallt mit überhöhter Geschwindigkeit über eine Nebel verhangene Autobahn zu rasen.

     

    Ich denke, gemeint ist ein Leben, welches das Risiko und den Konflikt nicht scheut an Stellen, wo dies notwendig erscheint. Ein Leben getragen vom Mut für eigenen Positionen einzustehen ohne sich dabei in Starrheit zu verrennen.

     

    miklaw-beziehungsberatung-skala

     

    Machen Sie einmal folgendes Gedankenexperiment: Stellen Sie sich eine Skala vor – auf der einen Seite steht als Extrem „Querulant und Provokateur“ auf der gegenüber liegenden Seite als Extrem „Mitläufer und Kuscher“. Die Mitte ist ebenfalls markiert. Nun ordnen Sie sich selbst auf dieser Skala möglichst ehrlich ein. Vielleicht fällt Ihnen dabei auf, dass Sie abhängig vom Kontext – Arbeitswelt, Kinder, Partner, Verein/Partei etc. – zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

     

    Sind Sie zufrieden mit Ihrer Position in den verschiedenen Bereichen? Wo würden Sie sich gerne mehr in die eine oder andere Richtung bewegen? Was hielt Sie bisher davon ab? Wenn Sie es nun täten, welche Vor – und Nachteile hätte das? Würden Sie wagen, es einmal auszuprobieren?

     

    In meiner Arbeit mit Paaren habe ich festgestellt, dass nicht nur zu viel Streit und Konfrontation zu Problemen führt sondern auch zu viel Harmonie, wenn sich diese aus der Angst heraus speist, notwendige Konflikte anzusprechen und fair auszutragen.

     

    In diesem Sinne wünsche auch ich Ihnen ein „gefährliches Leben“ – eines welches das Risiko nicht scheut an den Punkten, wo dies notwendig ist.

     


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    Furchtbar oder fruchtbar

    Keine langfristige, ernsthafte Beziehung kommt ohne Konflikte aus aber es ist ein entscheidender Unterschied ob diese in furchtbare Streits oder fruchtbare Auseinandersetzungen münden. Sie haben die Wahl!

     

    Zugegeben, der letzte Satz ist ein wenig provokant, denn wenn das wirklich so einfach wäre mit der Wahl, dann gäbe es diese furchtbaren Streits ja gar nicht. Wer will die schon?

     

    Diese Frage ist nicht so rhetorisch wie sie scheint, denn auch schlimme Streits haben eine Funktion. erfüllen einen Zweck, der den meisten Menschen freilich nicht bewusst ist. Sie lassen ein Paar gemeinsam tiefe Emotionen erleben und dabei ist das Vorzeichen – Minus für Streit und Verletzung oder Plus für Freude und Intimität – erst einmal egal.

     

    Streiten bedeutet Wunsch nach Kontakt

    Mit anderen Worten: Streiten bindet Menschen emotional aneinander aber es gibt eben sinnvollere, fruchtbarere, schönere, nährendere Formen der Begegnung. Wenn Sie viel streiten, stellen Sie sich die Frage: Auf welche Weise genau würde ich statt dessen lieber mit meinem Partner in Verbindung sein? Streiten drückt immer den Wunsch nach Kontakt aus, auch wenn es sicherlich geeignetere Möglichkeiten gibt, dieses Bedürfnis zu erfüllen. Diese anderen Optionen aber gilt es erst einmal zu erkennen und zuerlernen.

     

    Sie sehen schon, Konfliktvermeidung ist kein Lösungsweg, denn damit würde man auch dem Kontakt auf dem Wege gehen. Auch deshalb weil angestaute, ungelöste, also schwelende Konflikte zu so etwas wie „Korrosion auf den Kontaktflächen“ führen

     

    Konfliktvermeidung ist keine Lösung – was dann?

    Konflikte müssen zeitnah und konstruktiv ausgetragen werden, aus zwei Gründen: Zum einen führt jeder für BEIDE Seiten gut gelöste Konflikt, ein Konflikt also, nach dessen Lösung es weder einen Gewinner und einen Verlierer, noch all zu faule Komprisse gibt, an sich schon zu tieferem Kontakt. Zum anderen schafft ein solcher Art beendeter Konflikt wieder Platz um sich gemeinsam mit „gereinigten Kontaktflächen“, den freudvollen Dingen des Lebens zuwenden zu können.

     

    So gesehen, erschrecken Sie nicht vor dem nächsten Konfiken – schrecken Sie nicht vor ihnen zurück, sondern freuen Sie sich über die Chance, den positiven Kontakt mit Ihrem Partner zu vertiefen.

     

    Leicht gesagt

    Wahr ist aber natürlich auch, dass sich nicht jeder Konflikt einfach mal so eben ohne Gewinner, Verlierer und faule Kompromisse bereinigen lässt. Das braucht viel Einfühlungsvermögen, Selbstreflektion, Mut und kommunikatives Geschick – alles Dinge die wir leider nicht in der Schule lernen (obwohl sie viel nützlicher sind als mach anderer angeeigneter Ballast).

     

    Weil diese Fertigkeiten aber, wie alles andere auch, erst einmal erlernt und geübt werden müssen, ist es oft schwierig, ohne Hilfestellung von außen direkt den furchtbaren Streit in eine fruchtbare Auseinandersetzung zu verwandeln. Scheuen Sie sich daher nicht, dabei auch auf professionelle Unterstützung zurück zu greifen.