Miklaw im Deutschlandfunk

Am Samstag, den 10.4.21 hat der Deutschlandfunk in der Reihe Wochenendjournal um 09.10 eine Sendung ausgestrahlt zum Thema Offene Beziehungen und Polyamorie. Ich freue mich sehr, dass ich Gelegenheit hatte, zu dieser Sendung durch ein Interview und die anonymisierte Vorstellung eines Klientenpaares beizutragen.  

Die Frage, ob die klassische Monogamie die einzig richtige Beziehungsform ist, hat inzwischen eine breitere Öffentlichkeit erreicht. Das haben auch viele Medien erkannt bzw. selbst dazu beigetragen. Zum Glück nicht nur die Sensationspresse, die sich zuweilen gerne an diesem vermeintlich skandalträchtig-frivolen Thema abarbeitet, sondern auch seriöse Medien wie der Deutschlandfunk.

Was Marlene schon vor 100 Jahren wusste

Die Sendeanstalt schreibt zu Ihrer Sendung am 10.4:

Sprechen die Männer von Treue, lächle ich nur vor mich hin. Liebe ist ewig das Neue, Treue hat gar keinen Sinn!“, sang Marlene Dietrich in den 1920er-Jahren. Was sie damals infrage stellte, steht auch heute wieder auf dem Prüfstand: die monogame Beziehung.

Marlene Dietrich
Marlene – Ich weiß nicht zu wem ich gehöre  – Coverversion mit vollem Text anhören

Ob in der Ratgeberliteratur, in Zeitungsartikeln oder anhand von prominenten Paaren: Das Modell der offenen Beziehung wird viel diskutiert, gepriesen und verdammt – und ist dabei fast zu einer Art Modethema geworden. Auch Polyamorie – die Möglichkeit, mehrere Beziehungen ganz offen gleichzeitig zu führen – ist vielen Menschen mittlerweile zumindest ein Begriff.

Können solche Beziehungskonstrukte wirklich gelingen? Oder sind Gefühle wie Eifersucht und der Wunsch nach dem oder der Einen nicht viel zu tief in uns verankert?

Ob vor hundert Jahren oder jetzt – gute und interessante Fragen, denen der Deutschlandfunk da auf der Spur ist. Gut, dass Monogamie auf dem Prüfstand steht und zunehmend hinterfragt wird. Das sollte mit allen Konzepten geschehen, heißen sie nun Monogamie, Polyamorie oder offene Beziehung.

Konzepte hinterfragen

Nur diese kritische Auseinandersetzung mit Liebeskonzepten verhindert, dass Menschen wie automatisch und „bewustlos“ in eine Beziehungsform schlittern, die vielleicht gar nicht wirklich zu ihren Wünschen und Bedürfnissen passt.

Hier können Sie die Sendung nachhören:

Link zu Deutschlandfunk Wochenendjournal, dort auf 10.4.21 gehen https://www.deutschlandfunk.de/das-wochenendjournal.1664.de.html

Dirketer link zur Audiodatei hier:

 

 

Soll und Haben

Sie stellen sich vielleicht vor, dass Ihr Partner* und Ihre Beziehung doch am Besten so und so sein SOLL. Und Sie HABEN einen Partner* und eine Beziehung der dieser Vorstellung nur zum Teil entspricht. Die Einheit in der diese Differenz zwischen SOLL und HABEN gemessen wird, ist meist Unzufriedenheit. Muss das so sein oder geht es auch anders?

 

Meine Antwort lautet Ja. Ja, theoretisch geht es auch anders. Praktisch auch – wenn die zwei folgenden Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen müssen Sie sich vorstellen können, das es anders geht, z.B. so wie hier im Folgenden beschrieben – zum anderen müssen Sie bereit sein, diese neue „Technik“ auch einzuüben.

 

Es ist ähnlich wie wenn jemand Klavier spielen möchte. Zunächst muss er erst einmal Lust darauf haben und sich vorstellen, dass dieses überhaupt grundsätzlich möglich ist. Dann muss er über längere Zeit üben und sich dabei am besten schon an den kleinen Fortschritten freuen.

 

So kann’s gehen

Ich möchte Ihnen folgende Idee vorstellen, wie Sie Ihre Beziehung und ganz allgemein Ihr Leben zufriedener gestallten können: Voraussetzung für Unzufriedenheit ist, dass wir Konzepte im Kopf haben wie bestimmte Dinge sein sollten. Wenn diese dann nicht so sind, wie es unser Konzept vorgibt, werden wir unzufrieden.

 

Mein Vorschlag ist nun im ersten Schritt diese Konzepte als solche zu erkennen und im zweiten Schritt sie mal probehalber „abzuschalten“. Konkret sieht das so aus: Ich stelle mir vor. mein Partner sollte X tun, er macht aber Y. Wenn ich mir nur Y anschaue, ohne es mit X zu vergleichen, wie fühlt es sich dann an? Mit anderen Worten: Ist Y an sich tatsächlich so schlecht und unerträglich, oder ist es nur der Unterschied zu meinem eigenen Konzept X, der mir so unerträglich vorkommt?

 

Woran erkenne ich Konzepte?

Vor allem daran, dass sie bei anderen Menschen anders sind. Durst ist kein Konzept, denn jeder Mensch hat das Bedürfnis, sogar die Notwendigkeit zu trinken. Ein stets aufgeräumtes Wohnzimmer, eine steile berufliche Karriere oder sexuelle Treue hingegen sind Beispiele für Konzepte, denn manche Menschen legen Wert darauf, andere nicht. Wenn einer Ihrer inneren Sätze beginnt mit: „Meine Partnerin* sollte….“, ist dies ein Hinweis darauf, das Sie es hier mit einem Konzept oder Glauubenssatz zu tun haben könnten, der Ihnen bisher vielleicht noch garnicht bewusst war.

 

Natürlich ist es nicht leicht, derlei als selbstverständlich eingefleischte Konzepte über Bord zu werfen. Darum geht es aber auch nicht und auch nicht darum, eigene Bedürfnisse zu verleugnen. Worum es geht ist erstmal nur das „probeweise Abschalten“ der Konzepte, um ein Gedankenexperiment also das neue Erkenntnisse und Spielräume schaffen kann.

 


* = Dieser Begriff, wie auch weitere Begriffe mit grammatikalischem Geschlecht, sind geschlechtsneutral zu verstehen, d.h. in diesem Fall ist sowohl der männliche Partner wie auch die weibliche Partnerin gemeint

 


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