Prinzip 5: Dynamik statt Schuld

 

Ein Beziehungsberater ist kein Richter und eine Beziehungsberatung kein Gerichtsprozess. Obgleich dies wohl allen meinen Klienten klar sein dürfte, erlebe ich es immer wieder, dass jede(r) dem/der anderen die Schuld gibt an der schwierigen Beziehung, die aber vom anderen verständlicherweise nicht angenommen wird. Für solch eine Dynamik, die zu nichts führt, als zu noch mehr Verdruss, braucht man kein Geld bei einem Beziehungsberater ausgeben – das kann man zu Hause billiger haben. Wie aber kann die Kraft die der Paardynamik inne wohnt stattdessen zielführend ausgerichtet werden? 

Wer Schuld hat, hat etwas falsch gemacht, der andere der keine Schuld hat, hat alles richtig gemacht – so das Konzept. Kein Wunder also, dass immer der/die andere Schuld haben soll, damit wir selbst alles richtig gemacht haben. Das fühlt sich einfach besser an. Für meine(n) Partner(in) allerdings auch und so wird der schwarze Peter immer hin und her geschoben und nichts bewegt sich, oder wenn, dann abwärts.

Da Sie bei der Beziehungsberatung aber nicht vor Gericht stehen, ist die Frage nicht, wer hat Schuld, was macht mein Partner falsch, und auch nicht was mache ich falsch, sondern was bewirkt mein Tun bei meinem Gegenüber. Und sein/ihr Tun bei mir. Während erstere Fragen ein Fehlverhalten unterstellen und damit „automatisch“ zu Abwehr führen, ist die letztere eine Forschungsfrage, die uns Auskunft gibt, wie die Zahnräder im „paardynamischen Getriebe“ ineinandergreifen.

Es ist ganz praktisch betrachtet also nicht die Frage, ob es falsch oder richtig ist, die berühmte Zahnpasta Tube offen zu lassen, sondern was es bei meinem Gegenüber bewirkt, wenn ich das tue und aus welchem Grund ich es tue bzw. lasse.

  Von der Schuld zur Verantwortung

Wenn es nicht mehr um die Schuldfrage geht, nicht mehr um ein Fehlverhalten, erst dann können wir uns bewegen, weil wir uns nicht mehr verteidigen müssen. Die Frage nach der Schuld lässt uns automatisch in eine Abwehrhaltung und Blockade gehen. Durch dies Verteidigungsbarrikaden verbauen wir und selbst und der/dem anderen den Weg aufeinander zu. Den Weg zu Wohlwollen und Verständnis für die Position des anderen.

Machen sie den Test: Überlegen Sie, ob Sie schon jemals durch Schuldzuweisungen an den/die Partner(in) eine Situation in ihrem Sinne verbessern konnten?

Statt „Du hast Schuld“ wäre der Weg, den ich meinen Klienten bei der Beratung nahelege und auch mit ihnen übe ein anderer: Wir übernehmen jeweils die Verantwortung für unser eigenes Handeln, unser eigenes Tun und Lassen und für die daraus entstehende Dynamik. Ich mach mir also bewusst, dass mein Handeln auch das Handeln meines/r Partner(in)* beeinflusst und dessen Agieren wiederum Einfluss auf mein eigenes Handeln hat.  Für die Dynamik ist es dabei übrigens völlig unerheblich, ob zuerst die Henne oder das Ei da war.

Die Schuld –Tradition      

Während Schuld also eng mit Fehlverhalten verbunden ist und daher zu Abwehr führt ist Verantwortung nicht wertend, im Gegenteil oft positiv besetzt. Denn wer Verantwortung übernimmt, kann handeln, Dinge zum besseren verändern und aus der machtlosen, wenn auch oft bequemen, schuldzuweisenden Opferrolle aussteigen.  

Das Wort „Schuld“ durch Verantwortung zu ersetzen ist dann also vielmehr als reine Wortkosmetik, wenn damit auch die beschriebene Veränderung der inneren Haltung einhergeht.

Zugegeben, eine innere Haltung zu ändern ist nie einfach und meist ein längerer Prozess. Dies trifft bei umso mehr zu, wenn man in einem System sozialisiert wurde, in dem Schuld und Strafe eine ganz selbstverständliche Rolle spielen, wie dies in unserer christlich – abendländischen Kultur nun mal der Fall ist. Alle Rechtsysteme und Religionen fußen auf diesem Gedankengut. Eine Welt ohne Schuld und Strafe ist kaum vorstellbar, vielleicht auch nicht praktikabel. Wäre es vor diesem Hintergrund aber nicht umso wünschenswerter, wenn wir uns in unserem nächsten persönlichen Umfeld eine Insel schaffen könnten, auf der die Frage der Schuld zumindest etwas in den Hintergrund tritt und durch selbstermächtigende Verantwortung ersetzt wird?

 

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Wohlwollende Ohren

Der Absender bestimmt den Inhalt einer Botschaft, der Empfänger die Bedeutung. Mit wohlwollenden Ohren hören heisst, dem Absender möglichst gute Absichten zu unterstellen und das Gehörte dann mit der entsprechenden Bedeutung aufzuladen

 
Viele Paare tun sich schwer ihre kleinen Alltagsprobleme miteinander zu lösen, weil Sie es nicht gewohnt sind, auf konstruktive Weise miteinander zu reden. Weil ihnen also geeignetes „Werkzeug“ fehlt, ihre kleinen Probleme zu lösen, werden diese allmählich immer größer. Gute Kommunikation, die Basis einer jeden Paarbeziehung, ist einen Kunst, die – wie jede andere Kunst auch – geübt werden will.

 

Übung macht den Kommunikations-Meister

Dazu möchte ich Sie ermuntern, indem ich Ihnen in loser Reihenfolge Kommunikationstipps gebe. Sie werden das ein oder andere hier vorgestellte „Werkzeug“ vielleicht schon kennen. Es geht dann darum sich wieder daran zu erinnern und seinen Gebrauch einzuüben, denn nur Übung macht den Kommunikations-Meister.

 

Versuchen Sie in Gespräche mit einer Haltung des Wohlwollens zu gehen. Alles was Sie hören, lässt Spielraum für Interpretation – der Empfänger macht die Botschaft. Üben Sie sich darin, diesen Spielraum zu nutzen und alles was Ihr Gegenüber sagt immer zu seinen Gunsten zu interpretiere.

 

Sie können wählen

Es ist wie im berühmten Beipiel mit der geschenkten Seife: Sie können entweder unterstellen, es handele sich dabei um den Vorwurf, dass Sie sich nicht häufig genug wüschen, oder Sie können interpretieren, dass der Schenkende beabsichtigt, durch den wunderbaren Duft der Seife Ihre Attraktivität noch weiter zu steigern. Es ist Ihr Wahl – welche Möglichkeit gefällt Ihnen besser?
 
Sie werden feststellen, wie sich eine Gesprächsituation durch das Hören mit wohlwollenden Ohren atmosphärisch entspannt. Und bedenken Sie, alles was der andere sagt ist SEINE Wahrheit. Das bedeutet, Respekt zu zeigen vor den Gefühlen und Gedanken die das Gegenüber ja tatsächlich hat, auch wenn diese für Sie selbst gerade nicht nachvollziehbar sind.

 
Wichtig zu wissen: Respekt zu zeigen gegenüber der Sichtweise und den Wünschen des Partners bedeutet nicht, dass Sie damit einverstanden sein müssen. Dem Partner guter Absicht zu unterstellen bedeutet nicht, dass Sie nicht anderer Meinung sein dürfen. Die Wahrheit des Partners als die seine anzuerkennen bedeutet nicht, dass Sie nicht eine andere haben dürfen.

 


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Lieblos Lieben

Lieblos Lieben – dies ist ganz offensichtlich ein Widerspruch. Und dennoch sehe ich in meiner Praxi häufig, wie lieblos Liebespaare miteinander umgehen. Es scheint dann wichtiger, selbst Recht zu haben und den Partner damit ins Unrecht zu setzen, als liebevoll miteinander umzugehen und damit die gegenseitige Liebe zu zeigen.

 
Ein von Wohlwollen geprägter Umgang miteinander ist eine unbedingte Notwendigkeit für eine fruchtbare, gedeihliche, befriedigende Liebesbeziehung (clicken Sie heirzu auch zum Blogbeitag „Wohlwollende Ohren“). Warum tappen so viele Paare stattdessen in die die Falle Lieblosigkeit und Rechthaberei?

 

Die Falle der Lieblosigkeit und Rechthaberei

Dafür mag es vielerlei Gründe geben. Einer davon ist folgende Verwechslung: Der Glaube nämlich, dass liebevoller, wohlwollender Umgang bedeutet, dass wir mit allem einverstanden sind was unser Partner tut und sagt, und wir unsere eigene Meinung und Bedürfnisse zurück halten müssen um des lieben Friedens Willen. Genau dies führt nicht zu liebevollem, wohlwollendem Umgang – ganz im Gegenteil, es führt zu Aggression und Frustration und damit wieder in die Falle.

 

Was ist die Lösung? Wie kann der Teufelkreis aus liebloses Verhalten verursacht beim Partner Frustration und Aggression, führt wiederum zu lieblosem Verhalten des Partners usw. gestoppt und umgedreht werden in die Engelsspirale aus Wohlwollen führt zu Entspannung und innerer Freude führt auch beim Partner zu Wohlwollen usw.?

 

Vom Teufelskreis zur Engelsspirale

Der Schlüssel liegt in der wahrhaftigen Kommunikation. D.h. alles Wesentliche darf und muss in einer starken Beziehung angesprochen werden. Nicht wesentlich ist, wer als letztes den Müll herunter gebracht hat und ob dies vor 2 oder 3 Tagen war. Solche Scheingefechte werden zwischen Paaren unterbewusst oft deshalb geführt, um vom Wesentlichen abzulenken. Denn es kann beängstigend sein, an das Wesentliche, an der Kern der Dinge vorzustoßen. Und dennoch ist es die Grundlage für eine erfüllte, starke Beziehung. Liebe wird aus Mut gemacht.*

 
Das Wesentliche in einer liebevollen, wohlwollenden Art auszusprechen, anstatt dem Partner Vorwürfe um die Ohren zu hauen, die sich auf Unwesentliches beziehen, darin besteht die Kunst. Und wie beim Erlernen einer jeden Kunst – dem Spielen eines Musikinstrumentes beispielsweise – bedarf es der Anleitung, des Übens, der Geduld und der Fähigkeit mit Rückschlägen umzugehen.

 
* = Zitiat aus dem Lied „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ von Nena. Zum Hören und Sehen draufclicken. Achten Sie auf den Text: „Die Zeit ist reif für ein bißchen Zärtlichkeit“, auch wenn Sie Ihre Traumschlösser nicht auf Sand bauen sollten.

 


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